Die Intervention in der Yogapraxis

Tipps und Anregungen bei physischen Störungen in Muskeln, Sehnen und Gelenken und deren Handhabung in der Übungspraxis des Yoga

Als Yogalehrer werde ich immer wieder mit Gesundheitsstörungen konfrontiert, über die mich Teilnehmer meiner Yogastunden vor Stundenbeginn unterrichten, um einerseits Verständnis für eine angepasste Ausführung der Übungen zu erreichen, die andererseits aber auch um Rat und Hilfe nachfragen. Ich werde mich daher in den folgenden Zeilen bemühen, eine Systematik aufzuzeigen, in und mit der Hilfestellungen durch Yogaübungen und Ratschläge für Dritte möglich werden.
Zunächst ist eine Unterscheidung zu treffen zwischen akuten Erkrankungen und langfristig wirkenden Störungen:

Akute Erkrankungen erscheinen oft sehr schnell, bilden dauerhafte Schmerzempfindungen (heller Schmerz mit und ohne Bewegung) heraus und können oftmals ganz eindeutig einer Ursache zugeordnet werden. Neben physischen Verletzungen (Unfälle) gibt es hier Zerrungen, Verspannungen und tiefliegende Blutergüsse, die meist durch ungewohnte heftige Bewegungen oder Belastungen ausgelöst werden. Hier bilden sich oft zusätzlich Entzündungsreaktionen aus, die schmerzhaft wahrgenommen werden können.
Akute Erkrankungen werden in der Übungspraxis sehr sanft angegangen, denn es genügt den Körper im Yoga langsam zu bewegen und die Ausbildung einer Schutzverspannung, die dann eine Störung der langfristig wirkenden Kategorie würde, zu verhindern. Sich zu öffnen und die Zirkulation zu unterstützen ist hilfreich und meist auch schon vollkommen ausreichend.

Langfristig wirkende Störungen, oftmals auch einfach als Verspannungen bezeichnet, gehen in der Regel mit dunklen und bewegungsabhängigen Schmerzempfindungen einher oder sie machen einfach ganz bestimmte Bewegungen, die als normal gelten, unmöglich. Meist sind schlechte Gewohnheiten wie Bewegungsmangel, schlechte Haltung, berufliche oder sportlich einseitige Belastungen oder auch die Nachwirkungen von Verletzungen (Vernarbungen) die Ursache.
Hier müssen zunächst einmal die auftretenden Schutzverspannungen beseitigt werden, was bei Gelingen manchmal ein Wiederaufleben der akuten Erkrankung heraufbeschwört, die durch die Schutzmaßnahme ja gerade erträglich gehalten wurde. Diese wird dann durch eine Übungspraxis der akuten Kategorie unterstützt. Klingen die akuten Erscheinungen dann ab, kann mit der Wiederherstellung eines ausreichenden Bewegungsradius begonnen werden. Sanftes Dehnen, Strecken, Öffnen des Gewebes und anschließende kräftigende Übungen sind dabei das Mittel der Wahl. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Muskulatur weich und kräftig zugleich ausgeformt wird, um Überlastungen, die wiederum zu neuen, aber anders gelagerten Störungen führen können, zu vermeiden.  Bei sehr alten und weit ausgebildeten Störungen wie zum Beispiel Skoliosen muss bedacht werden, dass hier die Störung bereits als eine Gleichgewichtigkeit auftritt, deren Korrektur das ganze System in Frage stellen würde. Hier ist mehr eine Stabilisierung als eine Rückführung durch Yoga gefordert.

Lockerung, Öffnung und Zirkulation sind bei allen Störungen der Beginn jeder Übungsreihe. Nur bei langfristig wirkenden Störungen ist ein Lösen der Schutzverspannung, dann dehnen und kräftigen und somit ein Erweitern des Bewegungsradius möglich. Dabei sollten immer wieder lockern, öffnen und die Zirkulation anregende Elemente eine Rolle spielen. Für fortgeschritten Übende verschiebt sich weiterhin die Gewichtung von körperlicher zu mehr energetischer Intension, wobei sich nur der Schwerpunkt etwas verlagert. Körperlich wirksame Übungen sind immer notwendig, um einen Status zu halten. Sie entwickeln sich dabei von groben zu feingesponnenen Bewegungsmustern, kommen vom einfachen Machen zu mehr und mehr eleganten Formen. Nur noch energetisch üben zu wollen aber, weil wir ja so fortgeschritten sind, ist ungeschickt. In allen asiatischen Übungswegen (Do) ist ein ausgewogener Mix aus körperlichen, energetischen und mentalen Elementen gefordert. Energetische Übungen auf schwacher körperlicher Basis sind schädlich. Mentale Übungen wie Meditation auf rein muskulär gestützter Basis sind anstrengend und ermüdend und daher wenig hilfreich. Ein gesunder Körper ist kräftig und energetisch geführt. In diesem wohnt dann auch der sprichwörtliche gesunde Geist, sofern man diesen sich auch zum Gesunden hin entwickeln lässt.