Das Sonnengebet in meinem Unterricht (surjanamaskar)

Die Beschreibung:

Das Sonnengebet ist eine fließende, dynamische Abfolge von 12-16 Übungen (je nach Ausprägung), das einen gleitenden Übergang von Haltung zu Haltung beinhaltet und sich, neudeutsch ausgedrückt, im „Flow“ befindet.


Exkurs: Was ist Flow?
Flow kann frei übersetzt einfach „fließen“ genannt werden. Fließen kommt von Fluss und der steht niemals still, sondern: er fließt! Das Gegenteil des Flusses ist der See, wo das Gros des Wassers steht oder eine in sich abgeschlossenen Kreislauf bildet. Der Fluss fließt, der See steht. Und fließen heißt bestimmt nicht „Fluss, Stand, Fluss, Stand…“, sondern ist eine Abfolge in fließender, also ununterbrochener Weise: „Fluss, Fluss, Fluss…“.

Was heißt das für das Sonnengebet? Ein geübtes Sonnengebet ist ein ununterbrochenes Fließen, ohne Stopp, ohne Halt und ohne Ruckeln. Und daher wird ein Sonnengebet als Yogaelement auch langsam ausgeführt. Nur zum Einüben der verschiedenen Positionen, zum Kraftaufbau für die Arme zum Beispiel, oder zur Einübung der Schulterdrehung im großen Winkel (Parsvakonasana) kann eine Standhaltung, also eine Haltung mit variablem Fluss,  genutzt werden. Schnelle Ausführungen kann nur der Hochgeübte machen, da erst alle Fehlerquellen beseitigt sein müssen. Das kann Jahre dauern, wie man an einer Kata im Kampfsport gut und eindrucksvoll zeigen kann. Sie ist daher niemals perfekt, und der Übende vollzieht sie immer nur so gut wie möglich. Das Gleiche gilt im Sonnengebet. Es geht um vollen Einsatz, maximale Genauigkeit in der Ausführung bei schnellst möglicher Ausführung ohne Verluste in Kauf zu nehmen: eine Gradwanderung!

 

Die hier gezeigte Variation des Sonnengebetes versucht die Beinrückseiten (einbeinige VWB – Parshvotanasana) zu öffnen, versucht für der Schulterstruktur (großer Winkel, Utthita parsvakonasana) eine Öffnung zu ermöglichen, versucht einen Kraftaufbau in Kombination mit vorwärts- und rückbeugenden Anteilen (Vinjasa, bestehend aus Stock – Caturanga dandasana, Hund nach unten schauend – Urdhva mukha svanasana, Hund nach oben schauend – Adho mukha svanasana) und betont das Pranagefüge (Palmenhaltung – Urdhva hastasana) durch eine Brustkorböffnung, die sofort danach in der Vorwärtsbeuge – Uttanasana ausgeglichen wird. Ich empfehle die Übungsreihe in mehreren Wiederholungen zügig zu vollziehen, wobei die erste Runde langsam, die weiteren Runden mit langsam steigender Geschwindigkeit ausgeführt werden. Der nach oben schauende Hund ist dabei die einzige Haltung, die länger als einen Atemzug gehalten werden sollte.

Der Atem im Sonnengebet richtet sich nach der Ausführungsgeschwindigkeit und der Haltungsprägung. Bei schneller Ausführung genügt meist schon ein halber Atemzug (Einatem, Ausatem) pro Haltung. Bei langsamer Ausführung wird sich das Atemgefüge selbstregulierend anpassen. Es ist nicht gewünscht, den Atem kontrolliert für jede Phase vorzuschreiben, im Gegenteil, gewünscht ist, die Haltung selbst ohne bewusste Einwirkung über den Atem entscheiden zu lassen. Ein sich übermäßig beschleunigter Atem wird im Nach-oben-schauenden-Hund durch tiefe Atmung in den Unterbauch zurückgeholt.

Die Übungsreihe bereitet den Körper auf eine vollständige Übungsstunde vor, indem sie oberflächliche Spannungen durch sportlichen Einsatz (Dynamik) beseitigt. Weiterhin werden Kreislauf, Atmung und Energiereserven aktiviert. Nach drei bis fünf Durchgängen ist der Körper bereit für Yogaarbeit.

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